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steirischer herbst

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Festivalzentrum
der Standard - 26.09.2006
Einsam in der Privatsphäre
Komplizenschaften in der Camera Austria

"In times like these only criminals remain silent", haben Andrea Geyer und Sharon Hayes schon 2005 eine Arbeit betitelt. Jetzt ist sie auch beim steirischen herbst wieder zu sehen. Im krassen Gegensatz zur hoch dezent verschwiegenen Welt des Illegalen ist der Rest der Bevölkerung - kann man aus dem Titel unschwer ablesen - eher geneigt, möglichst originell auf sich aufmerksam zu machen.

Man kennt das ja: Talkshows, in denen sich täglich bislang eher unauffällige Nachbarn als eingetragene Mitglieder der Erdberger Bezirksgruppe für Satanismus unter besonderer Berücksichtigung randständiger sexueller Praktiken outen, Amateur-blogs, die nicht nur Innenaufnahmen von allerscheußlichsten Wohnzimmern in einer 24-Bogen-Plakat-tauglichen Auflösung im Netz feilbieten, Fernsehshows, die völlig authentische Dokumente der pein- und schmerzlichsten Missgeschicke preiskrönen.

Und andererseits ist da der mediale Zirkus um die ewigen Fragen, wer unter der Prominenz jetzt schwanger, magersüchtig, brutal im Privatleben bzw. krebskrank ist.

Gerade diese Bilder sind es, die eine Komplizenschaft zwischen abgelichtetem "Opfer" und lauerndem Fotografen mehr als nahe legen. Gelegentliche Handgreiflichkeiten zwischen Motiv und Porträtisten gehören dabei zur Folklore, die wiederum zur Verbreitung beiträgt. Und sobald etwas sehr verbreitet ist und also als Phänomen geltend gemacht werden kann, finden sich prompt auch Kunstschaffende, die mit der gebotenen Distanz darauf reagieren. In der Camera Austria sind das im Moment neben Geyer/Hayes auch noch Thomas Feuerstein, Rainer Oldendorf, Marco Poloni, Mark Raidpere und die lokale Gruppe G.R.A.M., die sich der Frage der Komplizenschaft mit Bildern stellen. Knowing you, knowing me wurde die Schau getauft, die klipp und klar feststellt, dass, wer nicht gern kontrolliert wird, gefälligst auch seine voyeuristischen Bedürfnisse hintanstellen möge. Schließlich können Ereignisse, welcher Natur auch immer, ja Jahrzehnte lang schon nur mehr dann als "stattgefunden" abgehakt werden, wenn es auch entsprechende Dokumente gibt.

Und die müssen "authentisch" sein, also möglichst beliebig im Ausschnitt, und zumindest partiell unscharf. Ein leichter Bauchansatz im Studiolicht geht absolut nicht als Beleg für eine mögliche Schwangerschaft durch, und hätte daher auch keine Chance auf eine Auszeichnung mit Thomas Feuersteins Gütesiegel Modern Stalking.

Bis 26.November

Colette M. Schmidt