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steirischer herbst

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» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006



Festivalzentrum
Kronen Zeitung - 23.09.2006
Der Müllhaufen der Geschichte
Eröffnung des "steirischen herbstes" in der Grazer List-Halle

Die Schutthalde der Zivilisation in Schaukästen. Der oberösterreichische Komponist Georg Nussbaumer verlässt das Feld herkömmlicher Musik und ließ Tausende Objekte von der Decke regnen. In einer subtilen Choreographie, die extreme Aufmerksamkeit des Besuchers einfordert.

Wenn der Andrang zur Eröffnung Gradmesser für die Neugierde aufs Festival ist, dann ist der "herbst" eine blühende Landschaft. Der Abend lief trotz Besuchermasse entspannt ab. Georg Nussbaumers "Schwerefeld mit Luftabdrücken" freilich rieb sich im Spannungsfeld zwischen Kunstwerk und Kulturparty auf.


In Nussbaumers im Untertitel als "Atlas des Regens und des Windes" bezeichneter Performance ist die Welt tatsächlich alles, was der Fall ist. Tausende Artefakte der Zivilisation, Steine, Lebensmittel, Gummiinsekten, Müll fielen nach einer minutiösen Partitur von der Decke in Plastikboxen. Dazwischen warf man nach ebenso ausgeklügeltem Zeitplan diverse in der Halle platzierte Windmaschinen an, die dem Publikum kollektiv Sturmfrisuren verpassten. Gemessen am Inszenierungsaufwand geriet die Installation, die zum Programm des "musikprotokolls" gehört, jedoch unspektakulärer und subtiler als man vielleicht erwartet hätte. Leider ging die von Nussbaumer intendierte Sensibilisierung des Publikums für Raum und Ereignis im Small-Talk der Grazer Kulturadabeis und -prominenz unter. Vielleicht war das mäßige Interesse der Gäste an solcher Einfühlung ja auch ein kalkulierter Teil eines ironischen Gesamtprogramms. Das Werk würde jedoch zu mehr als zu solch gigantischem Scherz taugen.

Von der gestrengen Position eines Kulturwächters aus in diesem Party-Rahmen völlig deplatziert, brachte es doch auch eine lustig zu beobachtende Gesamtinszenierung für Ausführende und Publikum. Ein buntes gesellschaftliches Event zur künstlerischen Event-Verweigerung.

Danach folgte noch ein offizieller Teil. Intendantin Veronica Kaup-Hasler betonte in ihrer Rede wiederum "Interdisziplinarität" und "Vernetzung" sowie das Festival als "Ort der Produktion", im Hintergrund gab es dazu eine (ganz und gar inoffizielle) halblustige Intervention von Michi Pinter und Erwin Posarnik samt Transparent "Kunst macht abhängig".

Dass die Politik zur Eröffnung zu schweigen hatte, war zehn Tage vor der Wahl wohltuend. Stattdessen beschallte die "Supergroup" der Wiener Avantgardemusiker-Szene "the year of" die nette Festivalgemeinde.

Martin Gasser