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steirischer herbst

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» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006



Festivalzentrum
Die Presse - 22.09.2006
Angst? Überhaupt nicht!
Interview. Die "herbst"-Intendantin über ihre erste Saison.

Was hält Veronica Kaup-Hasler, die als Intendantin ihre erste Saison des "steirischen herbstes" vor sich hat, von Traditionen? "Die sind mir enorm wichtig", sagt sie und eilt durch die Gänge des Grazer Palais Attems auf der Suche nach einem ruhigen Platz für ein Gespräch. Es wird gehämmert, gebohrt, knapp vor der Eröffnung am Donnerstagabend. "Tradition ist vor allem auch für zeitgenössisches Kunstschaffen wichtig. Tradieren bedeutet weitertragen. Wem alles Vergangene obsolet ist, der geht bedenklich mit Geschichte und mit Kunst um."

Wie ist das aber in Graz, wenn die 68er, die an der Wiege des "herbstes" standen, reif für die Pension sind? Wie geht man als junge Festival-Leiterin mit dieser Tradition um? "Die Sechzigerjahre waren extrem produktiv, es war eine Zeit des Aufbruchs, vor allem auch in Graz. Aber was aus einer Bewegung heraus entsteht, verfestigt sich. Auch die Kultur ist nicht vor Sättigung gefeit. Die Kinder des Herbstes sind erwachsen oder auch alt geworden. Es ist aber wunderbar, dass es Institutionen wie die Literaturzeitschrift ,manuskripte' gibt oder das Literaturhaus." Im "herbst" aber wolle sie "neue Risiko-Räume erarbeiten, über narrative Strukturen, die nicht als klassische Lesung stattfinden. Das mag einige enttäuschen, aber wir erlauben uns eben, tradierte Formate zu hinterfragen." Das "musikprotokoll" wird unter Kaup- Hasler, die zuletzt Leiterin des Festivals Theaterformen in Hannover und Braunschweig war, wieder stärker einbinden. "Es gibt zwei großartige Projekte in der List-Halle, Georg Nussbaumer zur Eröffnung, da regnet es Gegenstände und eine Komposition von Klaus Lang, die man im Liegen hört."

Innovationslust aus der Randlage
Zu Graz hat die Intendantin eine lange Beziehung, ihr Mann stammt von hier. "Die Stadt birgt für mich aber immer wieder Überraschungen. Hier war die Avantgarde zu Hause, sie ist aber im Verhältnis zu Wien eindeutig eine Kleinstadt, muss sich trotzdem, trotz der Randlage und der schlechten Verkehrsanbindung behaupten. Es gibt hier eine Innovationslust, das spürt man. Und das Kulturhauptstadt-Jahr 2003 hat einen Aufschwung gebracht, war aber offensichtlich nicht nachhaltig." Graz habe eine "extrem interessante Nachbarschaft, die könne man einbeziehen. "Und in der Stadt gibt es hochrangige Institutionen, die man nutzen kann. Das sind gute Zeichen. Es gibt immer wieder starke Persönlichkeiten, die einem über den Weg laufen."

Thematisiert wird in diesem Jahr neben dem Begriff Open Source vor allem Kontrolle. Geht er für Kaup-Hasler mit dem Wort Angst einher? "Natürlich hat Kontrolle auch mit Angst zu tun. Das steht aber beim ,steirischen herbst' in diesem Jahr nicht im Mittelpunkt. Für mich persönlich gilt, dass ich ein Grundvertrauen im Leben habe, dass alles gut wird."

Das Budget wurde von der öffentlichen Hand gekürzt, Kaup-Hasler sieht das nüchtern: "Große Musiktheater-Produktionen in der List-Halle wie unter meinem Vorgänger Peter Oswald kann ich mir einfach nicht leisten. Da hätte ich zu viel opfern müssen. Für so etwas brauchte man eine ganz andere Ausstattung". Die Intendantin lobt beiläufig die Fülle ihres Programmes. "Wir setzen auf kleinere Formate, auf ein anderes Ranking. Wir versuchen, ein avanciertes Festival für zeitgenössisches Kunstgeschehen zu sein. Die spannendsten Dinge sind nicht immer die großen Aufführungen."

Was ist für den Kurzbesucher zu empfehlen? "Ich würde ganz stark zum ersten Wochenende raten, da haben wir ein sehr dichtes Programm, den Armin Petras etwa, viele Improvisationen, ständig verändernde Ausstellungen im Gutshaus Kranz" (wie das Kunsthaus Graz im "herbst" genannt wird). Wie hat man Petras, der soeben das Berliner Gorki-Theater übernimmt, nach Graz gelockt? "Auslöser war, dass wir erfahren haben, dass Armin Petras an einem Stück arbeitete, das genau zu unserem Thema passte - Mobbing und Kontrolle."

In Graz dominieren kulturell nun die Frauen. Anna Badora leitet das Schauspielhaus, man will sich ergänzen. Kaup-Hasler: "Ich werde den ,herbst' nicht in ein Theater-Festival ummünzen. Ich freue mich, dass im Schauspielhaus Lebendiges entsteht, und meine Neugier auf Anna Badoras Programm ist sicher groß! Es gibt bereits Gespräche, ob und in welcher Form man etwas zusammen entwickeln kann."

Norbert Mayer