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steirischer herbst

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» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006



Festivalzentrum
Kurier - 25.09.2006
Was sie sind, werden wir sein
Im Hof der Neuen Galerie marschieren die "Trash People" auf, und das Kunsthaus zeigt eine Ausstellung, die keine sein will.

Seit Jahren zieht der deutsche Künstler HA Schults mit seiner "Trash People"-Armee um den Erdball. Die 1000 großteils aus Elektro- und Blech-Schrott gepressten Skulpturen formierten sich schon auf der Chinesischen Mauer, vor den Pyramiden und am Roten Platz.


100 davon bevölkern jetzt den Innenhof der Neuen Galerie Graz - als stumme Mahner vor dem globalen Kollaps. Ihre beschwörende Message ist klar, eindeutig und engagiert. Im Gespräch mit HA Schultz tut sich eine weitere Ebene auf, die an die Sprüche auf Friedhofstoren erinnert: "Wir produzieren Müll und wir werden zu Müll. Das sind unsere Ebenbilder."

Natürlich ist die Beschäftigung mit sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Problemen in der Kunst nicht neu. HA Schultz weist selbst - verschmitzt, aber uneitel - darauf hin, dass der Protagonist diesbezüglich Hundertwasser hieß: "Er war in einer Zeit, in der es noch keine Grünparteien gab, am Werk."

Zur erdballumspannenden Komplettierung der von Peter Weibel kuratierten Ausstellung "Slum" sind im Nebenraum des Hofes Foto- und Video-Arbeiten aus verschiedenen Kontinenten zum Thema versammelt. Auch Europa ist dabei. Planet Erde - bald ein Planet der Slums?

Das Kunsthaus Graz versteckt sich für den steirischen herbst hinter dem Anagramm Gutshaus Kranz. Soweit, so lustig. Der Untertitel zu "Protections" aber wirkt ermüdend: "Das ist keine Ausstellung", heißt es da, weil sich alles ständig performativ verändere. Hm. In Zeiten, wo sich selbst das Burgtheater für Schlingensief und Nitsch öffnet, ohne lange zu fragen, ob dabei Theater, Kunst, Installation oder was auch immer entsteht, wirkt dieser Zusatz schal und mehr als unnötig.

Keine Ausstellung, die natürlich eine Ausstellung ist, bietet zudem unglaublich viel Theorie - dabei sollte eigentlich klar sein, dass sich Künstler beim herbst mit heutigen Themen wie Kontrolle und Chaos beschäftigen.

Dabei ist "Protections" eine sehr gute Ausstellung, für die dem Besucher ein kurzer Leitfaden (den es nicht gibt) reichen würde. Tim Etchells & Co haben ein "Nothing good house" errichtet. Auf Bildschirmen sind u.a. Frauen, die sich zu enervierenden Klängen selbst verletzen, zu sehen. Nebenan bastelt Dejan Spasovic Amulette. Der 16-mm-Film "Mystery" (Christian Jankovski) zeigt einen Typen, der von einem Dach aus einen Skyscraper verwüstet. Wie ein Scharfschütze - doch seine Waffen sind eine Kamera und eine Leinwand.

Für den musikalischen Rahmen sorgt der von Etchells zusammengestellte Chor des Wachpersonals, gegeben werden Beatles und Einstürzende Neubauten.

Ins Obergeschoß wurden von Elmgreen & Dragset drei Fertigteil-Häuser zur Nutzung von Gastkünstlern gestellt. Marko Schinwald erkundet eine vertikale Bühne und geht darin auf. Allein für die gut gewählten Video- und Filmarbeiten sollte man sich genug Zeit nehmen. Und da sich alles verändert, gibt es eine Monatskarte um 9 Euro.

Nicht versäumen sollte man nebenan in der Camera Austria "Knowing You, knowing me", eine Schau über die Komplizenschaft mit Bildern. Sowie im Palais Thienfeld den Beitrag des grazer kunstvereins: "traurig sicher, im Training - Hallo! Wie geht's dir?"

www.steirischerherbst.at

Caro Wiesauer