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steirischer herbst

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» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006



Festivalzentrum
Kleine Zeitung - 22.09.2006
Nicht wirklich biblische Bedrohungen


Gestern Abend wurde der "steirische herbst" eröffnet. Mit einem leisen Spektakel und mitsozialpolitischen Mahnungen der neuen Intendantin. Ein nachdenklich machender Auftakt.

Sofas sind durchaus biblische Bedrohungen, die vom Himmel fallen können", sagte KomponistGeorg Nussbaumer vor Beginn seines sehr drastischen, aber auch subtilen Gesamtkunstwerkes gestern Abend in der Grazer List-Halle. Veronica Kaup-Hasler hatte den musikalischen Multiartisten gebeten, ihren ersten "steirischen herbst" mit seinem eigens dafür geschaffenen Werk "Schwerefeld mit Luftabdrücken" zu eröffnen.

Der sah dann zwar davon ab, das flanierende Publikum mit massiven Sitzmöbeln zu bombardieren, bot aber doch sehr feines Bedrohungspotenzial und setzte doch einiges in Bewegung: In den Dachregionen der Halle hielt sich ein Dutzend kühner Kletterer auf, die allerhand vom Himmel stürzen ließen: "Wie Sternschnuppen!", staunte eine Besucherin, als es die ersten Papierfetzen und Sandschleier schneite. Aber dann sollten Bücher, Mixer, Orangen, Fleischstücke, Salz, Puppen,,Hacken, Federn, Gebisse, Orgelpfeifen folgen und vieles mehr, das zu Boden plumpste. Meist in eigens dafür vorgesehene Leuchtquader aus Plexiglas, die sich zu Müllhalden a la Peter Greenaway aufdekorierten. Der Soundtrack aus Hämmern, Klicken, Interferenzen o. ä. blieb aber eher blass.

Windmaschinen bliesen immer wieder und brachten Frauen an den Rande des Frisurenzusammenbruchs. "Jetzt sind die Toupetträger dran", sagte Landeshauptmann Franz Voves trocken, der dem Ganzen mit Interesse folgte. Andere zuckten über die dreiviertelstündige Stehparty samt Feinstaubalarm die Achseln: "Nach vier Minuten war mir langweilig".

Die neue "herbst"-Intendantin Veronica Kaup-Hasler hielt mutigerweise erst danach ihre Eröffnungsrede. An den Beginn stellte sie ein Zitat des französischen Philosophen Michel Serres. "Am Anfang war das Tohuwabohu." Aber eben diese scheinbare Ordnungslosigkeit, die Unordnung der Dinge, sei eng mit Kontrolle verbunden, "sie setzt", so Kaup-Hasler, "das Prinzip der Kontrolle geradezu voraus."

Den subtilen Kontroll-Prinzipien gilt bekanntlich eines der "herbst"-Leitmotive. Kaup-Hasler: "Mit der allmählichen Zurücknahme staatlicher Aufgaben- und Verantwortungsbereiche beginnt sich der Kreislauf der Macht immer einseitiger in die Individuen zu verlagern."

Aufgabe der Künstler sei es, soziale Handlungsräume zu erkunden - vom Arbeitsplatz bis hinein in die Auswirkungen des "Sicherheitsdenkens im Privaten, das uns ,traurig sicher' zurücklässt".



Frido Hütter und Michael Tschida