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steirischer herbst

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» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006



Festivalzentrum
Salzburger Nachrichten - 25.09.2006
Macht braucht Kontrolle
Macht, Wracks, Rock n Roll: Uraufführung von Fritz Katers Stück "Tanzen!" im "steirischen herbst". Eine Soap Opera über den Kampf in der New-Economy-Welt.

Überwachungskameras, aus Pappe gebastelt, kontrollieren die Schaltzentrale einer global agierenden Bio-Tech-Firma. Dies ist ebenso ungewöhnlich wie der Catwalk im Büro, auf dem gebrüllt, geschwitzt, erbrochen und geblutet wird. Der ganz normale Überlebenskampf im neoliberalen Business-Krieg, niedergeschrieben von Fritz Kater im Stück "Tanzen!", wird von Katers Alter Ego, dem Regisseur Armin Petras, durch Improvisation und Ironie lustvoll gebrochen. Die "Industrial Soap Opera" der deutschen Theaterhoffnung Kater/Petras wurde Freitagabend im "steirischen herbst" uraufgeführt.

"Tanzen!" betritt weder sprachlich noch thematisch Neuland, und die Aufführung im Grazer Theater im Palais ist kein magischer Theaterabend. Aber die Koproduktion mit dem Berliner Maxim Gorki Theater, dem Petras als Intendant vorsteht, ist eine intensiv wahrnehmbare Begegnung mit neuer deutscher Dramatik, die Gesellschaftskritik, Skurrilität, Witz und Rock n Roll geschickt vereint.

Fritz Kater verbindet in ebenso schnellen wie pointierten Dialogen die Lebensfäden von "Sandra, 26, fit", "Inga, 35, und die sieht man" sowie "Bernie, 44, Buster Keaton mit Brille". Das männliche, schrullig-verklemmte Seelenwrack steht zwischen der raffinierten Körper- und Gesinnungsverbiegerin Sandra und dem bedauernswerten Rationalisierungsopfer Inga, die tief im Sumpf der Midlife-Crisis steckt.


Zwischen VIP-Lounge und dem hermetisch überwachten Office nähert sich das emotionale Betriebsklima dem Gefrierpunkt, zwischen den ohnehin actionreichen Szenen wühlen - via Lautsprecher - dröhnende Gitarren auf. Regisseur Armin Petras plündert den extrovertierten Stilmittel-Fundus der vergangenen Jahrzehnte und vertreibt die Langeweile mit einer blutreichen Entmannung, Luftgitarren-Einlangen, Zeitlupengymnastik, einer süffisanten Dia-Show oder melancholischen Duschszenen.

Macht braucht Kontrolle: Die drei Figuren zappeln in dem aus Effizienzdiktat, Dynamikzwang und Jugendwahn gesponnenen Netz, die anonyme Obrigkeit ist über Verbote präsent. Beachtliches leisten die Akteure Yvon Jansen, Nicolette Krebitz und Peter Moltzen. Das Trio beherrscht den beklemmenden Sarkasmus, die laute Geste und das tragikomische Elend.

Martin Behr