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steirischer herbst

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Festivalzentrum
der Standard - 23.06.2006
Zweiter Frühling des steirischen herbstes
Intendantin Kaup-Hasler präsentiert erstes Programm

Das Erscheinungsbild des frisch gedruckten Programms in der Größe eines kleinen Schulhefts ist für Veronika Kaup-Hasler, Intendantin des steirischen herbstes, Sinnbild für dessen Inhalt: "Es hat keinen Titel, ist außen blank, aber innen hat es eine starke Handschrift und setzt starke Zeichen". Am Mittwochabend präsentierte Kaup-Hasler diese Zeichen, die darauf hindeuten, dass von 21. September bis 15. Oktober radikal mit der "Ära Oswald" gebrochen wird.

Das auf dreieinhalb Wochen verkürzte Festival mit einem Budget von 2,6 Millionen Euro wird nicht mehr unter einem Generalmotto stehen, sondern sich zwischen den vier Leitmotiven "Kollaboration, Kontrolle, Teilhabe und Offene Quellen" bewegen. Dabei will Kaup-Hasler "ein Festival der Produktionen" präsentieren, "das Neues ermöglicht". Keine etablierten Stars wurden eingekauft, sondern an den Rändern von Kunstbereichen nach Besonderem gesucht. Viele Produktionen bedienen gleichzeitig mehrere Sparten, woraus man sich im neuen Logo – einem amtlich wirkenden Stempel – ein "ironisches Spiel" (Kaup-Hasler) machte: Die Zusammensetzung jeder Veranstaltung wird per Stempel ausgewiesen. Ein Service für Leute mit Perfomance-Unverträglichkeit oder Netzdiskurs-Allergie. So wurde "Hey Girl!" von Romeo Castellucci mit "62 % Performance und 38 % Bildender Kunst" bestempelt, während die von Peter Weibel kuratierte Schau "Slum" zu gleichen Teilen aus Performance, Kunst und Theorie bestehen soll. 37 Prozent Literatur und 63 Prozent Theater verspricht die Uraufführung "Tanzen!", eine Industrial Soap von Armin Petras (alias Fritz Kater), der ab Herbst das Maxim Gorki Theater Berlin leiten wird. Doch auch Musik wird weiter ihren Platz haben, etwa durch Kompositionen von Klaus Lang und Francisco Lopez und natürlich im Musikprotokoll. Das Kunsthaus Graz hat indes im anagrammatischen Spiel um Inhalt und Identität seinen Namen verloren und heißt nun – etwas bummelwitzig – "Gutshaus Kranz". Was dort statt findet, heißt "Protections" und trägt den Untertitel "Das ist keine Ausstellung". Der "herbst" will aber nicht nur inhaltlich in den _ nach bald 40 Jahren legitimen _ zweiten Frühling, sondern kehrt auch zum Nomadentum zurück. Nach der Entkoppelung von der millionenschweren List-Halle ist das Künstlerhaus im Stadtpark vorübergehend Festivalzentrum. Dort wird auch die "Camp-Show-Steiermark", eine international zusammengewürfelte Karawane von Künstlern, die durchs Land tingeln wird, ihre Wohnwagen parken. Einen davon fährt eine Drag Queen aus Los Angeles, die in diversen Gemeinden mit Freiwilligen Feuerwehren ein Wasserballett einstudieren soll.
Colette M. Schmidt