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steirischer herbst

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» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006



Festivalzentrum
Falter - 20.09.2006
"Halleluja, Kapitalismus!"


POP Eben noch erklärte PeterLicht im Alleingang den Kapitalismus für beendet. Nun folgt der launisch-lakonische Liedermacher der Einladung des steirischen herbst. Ein Gespräch.

Es fängt damit an, dass es gar nicht anfängt. Der Computer des  Promotionmanagers hat den Termin gelöscht, erst mit Verspätung meldet sich ein angenehm unvorbereiteter PeterLicht am Telefon. Das Lieblingswort von PeterLicht, dem Phantom mit dem Binnenmajuskel, ist "Ja". Eingangs und ausgangs längerer Statements bejaht er gerne, diese langgezogenen Jas dienen aber nicht als affirmative Anführungszeichen, sondern der Distanzierung. "Ja, es gibt den Peterwagen", erklärt er, "und dann gibt es das Peterlicht, also das Blaulicht. Ja", und schafft so etwas Raum rund um die Kunstfigur PeterLicht, von der kaum Bilder existieren. Und tatsächlich muss man sich in die komprimierte Verschwommenheit von YouTube vorarbeiten, um für körnige dreißig Sekunden jenes Mannes ansichtig zu werden, der sich als Poplegastheniker beschreibt, "drauflinie" als Wort besser als "online" findet, mit "Sonnendeck" zwei Sommer lang einen Hit landete und zuletzt mit seinen Liedern und einem Buch zum "Ende des Kapitalismus" die Feuilletons beschäftigte.


Falter: Sie werden beim steirischen herbst in der Reihe "Loose Control" auftreten. Warum hat man da an Sie gedacht?

PeterLicht: Keine Ahnung. Was ich mache, hat vielleicht was mit "Loose Control" zu tun. Ehrlich gesagt ist das ... Ja. Wenn ich das richtig weiß, ist das ja auch ein Theaterfestival, bei dem es ziemlich genreübergreifend zugeht. Kontrolle? Keine Ahnung.

Was an Infos über Sie immer wieder auftaucht, ist: ehemaliger Werbetexter, blonder Sonnenschein, Schwabe, lebt in Köln und gute Kontrolle über das eigene Image.

Ja, der Sinn der Sache ist schon, dass das, wodurch ich mich ausdrücken will, meine Lieder und meine Texte, im Vordergrund steht. Und nicht mein Gesicht oder mein Soundtrack zu meinem Gesicht. Es geht auch nicht darum, Geheimnisse aufzubauen. Bei Auftritten gibt es auch keine Masken. Wenn ich da live sitze, dann sitze ich da live. Ich möchte nur nicht auf meiner privaten Geschichte rumreiten, weil die total uninteressant ist. Meine Lieder sind vielleicht interessant, und die mache ich auch dafür, dass sie in die Öffentlichkeit geraten. Ja.

Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie unkommerziell würden Sie sich selber einschätzen?

Zehn ist maximal unkommerziell? Puh. Da würde ich mich auf einer glatten Null sehen. Maximal kommerziell.

"Die Zeit" schrieb über Ihr aktuelles Album "Lieder vom Ende des Kapitalismus": "Seine Wörter und Sätze sind Geschenke aus den Gehirnkammern der Gegenwart." Haben Sie eine Ahnung, was das bedeutet?

Na ja, es ist eine schöne Vorstellung, dass es so eine große kollektive Gehirnkammer gibt, das finde ich eine interessante Idee. Meine letzte Platte und auch das Buch handeln ja vom Reindenken in ein kollektives Bewusstsein.

Und Sie gehen in diese Kammer und verschenken Wörter und Sätze?

Ich verschenke die ja nicht. Ich verkaufe sie für knallhartes Geld. "Die Zeit" empfindet das als Geschenk.

Ne, dann verstehe ich das überhaupt nicht. Wir leben in Zeiten des Kapitalismus. Da wird nichts verschenkt, sondern möglichst preistreibend das Zeugs verhökert.

War für Sie klar, dass das Feuilleton den Rückzug hinter die Kunstfigur goutieren würde?

Es gibt ja auch andere Feuilletons, die das gar nicht goutieren, sondern draufhauen, das habe ich von vornherein erlebt. Gerade bei Journalisten. Jeder hat ja schon mal was vom Watergate- Skandal gehört, also von diesen investigativen Journalisten, die echt große Sachen rausgekriegt haben, und das sind Leute, die sich bei mir dann so ...

Tatsächlich?

Es weckt auch Aggression. Am Anfang war es auch ein Ding der Unmöglichkeit, die Plattenfirma davon zu überzeugen. Insofern war das schon ein heißer Ritt am Wind. Und die Dinge ändern sich ja auch. Das nächste Feuilleton kann schon sagen: Kotzt uns an.

In Rezensionen ihres aktuellen Albums fällt fast immer das Wort "hymnisch".

Von der Haltung her habe ich mich auch an einem Begriff wie Erbauung hochgezogen und gedacht, es wäre schön, wenn ein Lied erreichen könnte, dass man tatsächlich ein erbautes Gefühl hat. Was auch immer das dann ist.

Einem Wirtschaftsredakteur musste ich die Frage versprechen: Was kommt nach dem Kapitalismus?

Ja. Da müsste ich eigentlich den Wirtschaftsredakteur sprechen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das einer aus der Kulturredaktion versteht. Ja. Was kommt dann? Ich weiß es nicht. Vielleicht kommt ein Grasstaat alter Prägung. Aber ich gerate da ständig in hilfloses Gestottere. Es ging mir ja auch eher darum, diesen Gedanken, der für mich ein schöner Gedanke ist, in die Luft steigen zu lassen wie eine Blase, oder wie eine Blume wachsen zu lassen.

Sie würden den Kapitalismus also abschaffen, wenn Sie könnten?

Ja, und sofort ist man in einem Dilemma. Ich bin ja auch Kapitalist und habe gar keine andere Wahl. Denn ich sehe ja auch - wenn ich in Strukturen unterwegs bin, in denen es überhaupt nicht

kapitalistisch zugeht -, dass das genau so unerträglich ist. Wenn man in so kafkaesken Ämtern Gänge macht, und da sitzen dann Leute, die eigentlich nur mit ihrem Leben nach 16 Uhr beschäftigt sind, denkt man sich ja auch: Halleluja, Kapitalismus! Möge hier der Wind hineinblasen. Da müsste man eigentlich alles wieder revidieren.

Wollten Sie, dass Deutschland die WM gewinnt?

Ja, das wollte ich unbedingt. Aber es war dann auch gut, als es vorbei war. Dann konnte auch wieder Entspannung eintreten, es ist ja viel angenehmer, wenn so ein Finale von anderen Leuten bestritten wird. Da hat man nicht so eine Angst.

Ein Zitat aus Ihrem Buch: "Fußballer sind furchtbar. Die alt gewordenen Füße alter Fußballer. Man mag nicht daran denken."

Ja. Das ist doch so. Oder? Füße von Hans Krankl? Also, ich weiß nicht.

Ich habe ihm verziehen, aber seinen Füßen nicht.

Was wird bei "Loose Control" passieren?

Wir werden zu dritt sein, und die Lieder werden sich einigermaßen anders anhören als auf dem Album. Die Idee war, das Skelett rauszuholen aus den einzelnen Stücken, und nur das zu zeigen. Es gibt Gitarre, Klavier und Gesang, so kriegt das Ganze was sehr liedermäßiges, und es wird ein bisschen kleiner, aber dadurch auch größer.

Gibt es Fehler, die Sie in Ihrer Karriere gemacht haben?

Ist das nicht überhaupt ein genereller Fehler? Das frage ich mich manchmal. Ob das nicht fehlerhaft ist. Ob diese Lieder das bringen, ob die nicht eher was kaputt machen.

Christof Huemer