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steirischer herbst

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» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006



Festivalzentrum
der Standard - 21.09.2006
Viel Welt nach Graz holen
"steirischer herbst", Teil 2: Programmatische Fragestellungen

"Kontrolle, Kollaboration, Teilhabe" - erste Themenfelder der neuen Intendantin des "steirischen herbsts", Veronica Kaup-Hasler . Claus Philipp sprach mit ihr über die Rolle von avancierten Kunstfestivals in einer "eventisierten Gesellschaft".

Standard: Derzeit ein Festival zu kuratieren, in Zeiten, wo der Betrieb mobiler ist denn je und fast jeder Künstler, der als relevant gehandelt wird, im Bauchladen weitergereicht wird, was sind da erste Erfahrungen?

Veronica Kaup-Hasler: Man fragt sich: Wie reagiert ein Festival auf diese eventisierte Gesellschaft? Was ist das Eigene, wie rechtfertigt man noch dieses Tun? Der steirische herbst hatte ja in den 60er-, 70er-Jahren eine ganz andere Größenordnung im Verhältnis zum Alltagsbetrieb als jetzt. Das Eigenartige, Einzigartige an diesem Festival: Seit seiner Gründung wird stur behauptet, dass es sich um Themenführerschaft bemüht. Zeitgenössisch, interdisziplinär oder multidisziplinär.

Standard: Wobei der "herbst" in den letzten Jahren unübersehbar Schwierigkeiten hatte, zwischen trockener Theorie und Avantgarde über die so genannten Experten und Insider hinaus zu wirken. Sie selbst haben das Problem zuletzt so formuliert: "Wie kann ich Dinge mit dem Publikum teilen, die ich jetzt für notwendig halte?"

Kaup-Hasler: Genau. Wie kann ich sie teilen, ohne populistisch zu werden oder in eine Falle zu gehen, die natürlich durch den Druck einer Ökonomisierung und dem Quotendruck überall lauert. Wie kann ich das Avancierte beibehalten und gleichzeitig zeigen, dass ich das nicht nur einem Spezialistenpublikum vorführen will? Natürlich gibt es auch heuer im Programm knochentrockene Theorieformate - und die muss es auch geben: Von Workshops und Vorträgen bis hin zu Formaten, die spielerischer mit der Produktion von Wissen umgehen, wie ein "Wörterbuch des Krieges", wo sich Wissenschafter und Künstler gemeinsam überlegen, auf welche Art und Weise sie mit dem Begriff des Krieges umgehen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch große, einladende Gesten, wie das Festivalzentrum im Künstlerhaus Graz, damit sich die Leute nach dem Genuss einer Vernissage oder einer Theateraufführung sich nicht in irgendwelche Kneipen oder Restaurants verziehen müssen.

Standard: "Kontrolle, Kollaboration, Teilhabe" - sind solche Leitmotive heutzutage für ein Festival wirklich nötig? Ist das nicht oft ein wenig aufgesetzt?

Kaup-Hasler: Natürlich könnte man so ein Festival als ein zeitliches Plateau sehen, als eine Schiene, wo man alles Mögliche hinein tun kann. Aber da kommt schnell der Vorwurf der Beliebigkeit. Wir stellen einfach die Frage: Kann man in einer unübersichtlich gewordenen künstlerischen Landschaft Themenfelder verorten, die im Moment eine größere Brisanz haben, gibt es da Verdichtungen? Das ist ja das Tolle am herbst , dass man die ganze Klaviatur von diversen Kunstsparten bis hin zur Wissenschaft zur Verfügung hat.

Standard: Wie wichtig ist da heute noch der Standort Graz?

Kaup-Hasler: Natürlich versuchen wir, vor Ort an möglichst vielen Stellen und Institutionen der Stadt anzudocken und sie mit einzubeziehen. Das Joanneum, die Kunstuni, die Galerien ... Der steirische herbst würde total ins Leere laufen, wenn man sich ausschließlich eines internationalen Kontexts bedienen würde. Egal, was man tut, man tut es ja nicht unabhängig vom Ort. Man überlegt ja, was sind die Potenziale und die Möglichkeiten und die Möglichkeitsräume - in der Zusammenarbeit mit den interessantesten Lokalen und Leuten hier vor Ort, aber auch mit der klaren Ausrichtung, sehr viel Welt hereinzuholen. Diese Balance zu finden ist extrem schwierig, weil es beim steirischen herbst traditionell die Haltung von sehr vielen gibt, selbstverständlich immer dabei zu sein.

Standard: Es gab Konflikte, Widerstände?

Kaup-Hasler: Extrem erfreulich ist: Der herbst ist ein überaus wichtiger Identifikationspunkt in der Stadt. Das ist anders als in Deutschland, wo Kunst und Kultur relativ marginal wird. Anderseits hat dieses Commitment der Grazer einen Pferdefuß, weil es traditionelle Formen der Zusammenarbeit gegeben hat, die sich verselbstständigt haben, seit 37 Jahren unverändert waren, und man musste Leute vor den Kopf stoßen. Ich musste eine neue Konzeption haben und es muss wirklich einen Grund geben, etwas miteinander zu machen. Graz hat durch seine Kleinheit Vor- und Nachteile. Kleinheit heißt, es gibt einen großen Fokus, es heißt aber auch: Graz ist etwa theatermäßig relativ weitab vom Schuss. Es gibt wenig überregional ausstrahlende Institutionen. Da ist einiges nachzuholen.

ZUR PERSON: Veronica Kaup-Hasler , geboren 1968 in Dresden, war Dramaturgin der Wiener Festwochen und in Hannover, heuer ist ihre erste Saison als "herbst"-Intendantin.

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