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steirischer herbst

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» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006



Festivalzentrum
Die Presse - 23.09.2006
Auf großer Fahrt durch die grüne Mark
Das Avantgarde-Festival "steirischer herbst" zieht luftig und lustvoll mit Windmaschinen und Wohnwagen ins Land.

Zu einem gemütlich stürmischen Festival-Auftakt, bei dem Wind und Regen die Musik machen, lud der "steirische herbst" am Donnerstag in die Grazer List-Halle. Da regneten über 5000 Gegenstände nach Partitur herab: Kartoffeln, Gebissabdrücke, Radspeichen, Bücher, Steine und vieles mehr. Acht große Windmaschinen und Schneekanonen bliesen den Motoren-Marsch. Acht große Windmaschinen und Schneekanonen bliesen den Motoren-Marsch.
Elementare Kräfte, Atmosphärisches und Mystisches hoben zum schrägen Konzert an in Georg Nussbaumers "Schwerefeld mit Luftabdrücken". Unkonventionell, unaufdringlich, musikalisch im Sinne von Geräusch-Spannungsfeldern. Ein beeindruckender Klangteppich, aus reichen Fundgruben schöpfend - von Leonardo da Vincis "Regenwolke" bis zu im Alten Testament erwähnten vom Himmel fallenden Dingen, von Religion bis Pornografie. Auch wenn derlei Hintergrundinformationen sich der bloßen Betrachtung nicht unbedingt aufzwängen, erzählt die sinnlich erlebbare Installation jedem eine eigene Geschichte und setzt individuelle Assoziationen frei beim räumlichen wie zeitlichen Durchwandern der als "Atlas des Regens und des Windes" funktionierenden Hallenarchitektur.
Mit der Uraufführung dieser andersartigen Performance vom 1964 in Linz geborenen, international Spuren setzenden Musikinstallateur ist der neuen Intendantin Veronica Kaup-Hasler ein feiner Paukenschlag gelungen. Wer sich fragt, ob das nun ein Konzert oder eine Performance sei, erhält von ihr die Antwort "alles". Gehe es diesmal doch verstärkt um die "Vielstimmigkeit" in einer "komplexen Gegenwart". Wobei der multidisziplinäre Grenzgang als Präludium des bis 15. Oktober dauernden Festivals künstlerische "Zeitgenossenschaft" durchaus luftig, lustvoll ins Bewusstsein rückt.
Da hat der heuer unter den Leitmotiven "Kontrolle, Kollaboration, Teilhabe und offene Quellen" stehende "steirische herbst" noch einige Überraschungen auf Lager. Etwa die "Camp-Show-Steiermark" unter Haiko Pfost, bei der fünf Wohnwagen dieses Wochenende auf große Fahrt durch die grüne Mark geschickt werden. Umgestaltet als Swimming-Pool oder Planetarium versprechen die rollenden Herbergen erfrischenden Spaß. Die deutsche Künstlerin Doris Dziersk etwa will auf ihrer Reise "aufbruchswillige, einsame Topfpflanzen" einsammeln.
Höhepunkte neben zahlreichen Ausstellungen, "Spielfeldforschung" und Diskursen (darunter "Wörterbuch des Krieges") versprechen die Industrial Soap-Opera "Tanzen!" von Armin Petras (der die Intendanz am Gorki-Theater Berlin übernimmt), Richard Maxwells "The End of Reality", "vsprs" - Tanztheater nach Monteverdi sowie Klaus Langs "fichten". Zu den weithin leuchtenden Highlights zählen die Glühbirnenketten, die auf das vom nordirischen Stephen Craig gestaltete Festivalzentrum im Künstlerhaus im Stadtpark weisen, wo auch Feuilleton-Liebling Peter Licht konzertieren wird. Dass das norwegische Verdensteatret für sein auf dem "herbst"-Programm stehendes "Concert for Greenland" am vergangenen Sonntag in New York den Bessie Award für "Installation and New Media" erhalten hat, hebt natürlich die Freude.
Elisabeth Willgruber-Spitz