Die Presse - 23.09.2006 Auf großer Fahrt durch die grüne Mark
Das Avantgarde-Festival "steirischer herbst" zieht luftig und lustvoll mit Windmaschinen und Wohnwagen ins Land.
Zu einem gemütlich stürmischen Festival-Auftakt, bei
dem Wind und Regen die Musik machen, lud der "steirische herbst" am
Donnerstag in die Grazer List-Halle. Da regneten über 5000 Gegenstände
nach Partitur herab: Kartoffeln, Gebissabdrücke, Radspeichen, Bücher,
Steine und vieles mehr. Acht große Windmaschinen und Schneekanonen
bliesen den Motoren-Marsch.
Acht große Windmaschinen und Schneekanonen bliesen den Motoren-Marsch.
Elementare Kräfte, Atmosphärisches und
Mystisches hoben zum schrägen Konzert an in Georg Nussbaumers
"Schwerefeld mit Luftabdrücken". Unkonventionell, unaufdringlich,
musikalisch im Sinne von Geräusch-Spannungsfeldern. Ein beeindruckender
Klangteppich, aus reichen Fundgruben schöpfend - von Leonardo da Vincis
"Regenwolke" bis zu im Alten Testament erwähnten vom Himmel fallenden
Dingen, von Religion bis Pornografie. Auch wenn derlei
Hintergrundinformationen sich der bloßen Betrachtung nicht unbedingt
aufzwängen, erzählt die sinnlich erlebbare Installation jedem eine
eigene Geschichte und setzt individuelle Assoziationen frei beim
räumlichen wie zeitlichen Durchwandern der als "Atlas des Regens und
des Windes" funktionierenden Hallenarchitektur.
Mit der Uraufführung dieser andersartigen
Performance vom 1964 in Linz geborenen, international Spuren setzenden
Musikinstallateur ist der neuen Intendantin Veronica Kaup-Hasler ein
feiner Paukenschlag gelungen. Wer sich fragt, ob das nun ein Konzert
oder eine Performance sei, erhält von ihr die Antwort "alles". Gehe es
diesmal doch verstärkt um die "Vielstimmigkeit" in einer "komplexen
Gegenwart". Wobei der multidisziplinäre Grenzgang als Präludium des bis
15. Oktober dauernden Festivals künstlerische "Zeitgenossenschaft"
durchaus luftig, lustvoll ins Bewusstsein rückt.
Da hat der heuer unter den Leitmotiven
"Kontrolle, Kollaboration, Teilhabe und offene Quellen" stehende
"steirische herbst" noch einige Überraschungen auf Lager. Etwa die
"Camp-Show-Steiermark" unter Haiko Pfost, bei der fünf Wohnwagen dieses
Wochenende auf große Fahrt durch die grüne Mark geschickt werden.
Umgestaltet als Swimming-Pool oder Planetarium versprechen die
rollenden Herbergen erfrischenden Spaß. Die deutsche Künstlerin Doris
Dziersk etwa will auf ihrer Reise "aufbruchswillige, einsame
Topfpflanzen" einsammeln.
Höhepunkte neben zahlreichen Ausstellungen,
"Spielfeldforschung" und Diskursen (darunter "Wörterbuch des Krieges")
versprechen die Industrial Soap-Opera "Tanzen!" von Armin Petras (der
die Intendanz am Gorki-Theater Berlin übernimmt), Richard Maxwells "The
End of Reality", "vsprs" - Tanztheater nach Monteverdi sowie Klaus
Langs "fichten". Zu den weithin leuchtenden Highlights zählen die
Glühbirnenketten, die auf das vom nordirischen Stephen Craig gestaltete
Festivalzentrum im Künstlerhaus im Stadtpark weisen, wo auch
Feuilleton-Liebling Peter Licht konzertieren wird. Dass das norwegische
Verdensteatret für sein auf dem "herbst"-Programm stehendes "Concert
for Greenland" am vergangenen Sonntag in New York den Bessie Award für
"Installation and New Media" erhalten hat, hebt natürlich die Freude.
Elisabeth Willgruber-Spitz
Die Presse - 23.09.2006 Auf großer Fahrt durch die grüne Mark
Das Avantgarde-Festival "steirischer herbst" zieht luftig und lustvoll mit Windmaschinen und Wohnwagen ins Land.
Zu einem gemütlich stürmischen Festival-Auftakt, bei
dem Wind und Regen die Musik machen, lud der "steirische herbst" am
Donnerstag in die Grazer List-Halle. Da regneten über 5000 Gegenstände
nach Partitur herab: Kartoffeln, Gebissabdrücke, Radspeichen, Bücher,
Steine und vieles mehr. Acht große Windmaschinen und Schneekanonen
bliesen den Motoren-Marsch.
Acht große Windmaschinen und Schneekanonen bliesen den Motoren-Marsch.
Elementare Kräfte, Atmosphärisches und
Mystisches hoben zum schrägen Konzert an in Georg Nussbaumers
"Schwerefeld mit Luftabdrücken". Unkonventionell, unaufdringlich,
musikalisch im Sinne von Geräusch-Spannungsfeldern. Ein beeindruckender
Klangteppich, aus reichen Fundgruben schöpfend - von Leonardo da Vincis
"Regenwolke" bis zu im Alten Testament erwähnten vom Himmel fallenden
Dingen, von Religion bis Pornografie. Auch wenn derlei
Hintergrundinformationen sich der bloßen Betrachtung nicht unbedingt
aufzwängen, erzählt die sinnlich erlebbare Installation jedem eine
eigene Geschichte und setzt individuelle Assoziationen frei beim
räumlichen wie zeitlichen Durchwandern der als "Atlas des Regens und
des Windes" funktionierenden Hallenarchitektur.
Mit der Uraufführung dieser andersartigen
Performance vom 1964 in Linz geborenen, international Spuren setzenden
Musikinstallateur ist der neuen Intendantin Veronica Kaup-Hasler ein
feiner Paukenschlag gelungen. Wer sich fragt, ob das nun ein Konzert
oder eine Performance sei, erhält von ihr die Antwort "alles". Gehe es
diesmal doch verstärkt um die "Vielstimmigkeit" in einer "komplexen
Gegenwart". Wobei der multidisziplinäre Grenzgang als Präludium des bis
15. Oktober dauernden Festivals künstlerische "Zeitgenossenschaft"
durchaus luftig, lustvoll ins Bewusstsein rückt.
Da hat der heuer unter den Leitmotiven
"Kontrolle, Kollaboration, Teilhabe und offene Quellen" stehende
"steirische herbst" noch einige Überraschungen auf Lager. Etwa die
"Camp-Show-Steiermark" unter Haiko Pfost, bei der fünf Wohnwagen dieses
Wochenende auf große Fahrt durch die grüne Mark geschickt werden.
Umgestaltet als Swimming-Pool oder Planetarium versprechen die
rollenden Herbergen erfrischenden Spaß. Die deutsche Künstlerin Doris
Dziersk etwa will auf ihrer Reise "aufbruchswillige, einsame
Topfpflanzen" einsammeln.
Höhepunkte neben zahlreichen Ausstellungen,
"Spielfeldforschung" und Diskursen (darunter "Wörterbuch des Krieges")
versprechen die Industrial Soap-Opera "Tanzen!" von Armin Petras (der
die Intendanz am Gorki-Theater Berlin übernimmt), Richard Maxwells "The
End of Reality", "vsprs" - Tanztheater nach Monteverdi sowie Klaus
Langs "fichten". Zu den weithin leuchtenden Highlights zählen die
Glühbirnenketten, die auf das vom nordirischen Stephen Craig gestaltete
Festivalzentrum im Künstlerhaus im Stadtpark weisen, wo auch
Feuilleton-Liebling Peter Licht konzertieren wird. Dass das norwegische
Verdensteatret für sein auf dem "herbst"-Programm stehendes "Concert
for Greenland" am vergangenen Sonntag in New York den Bessie Award für
"Installation and New Media" erhalten hat, hebt natürlich die Freude.
Elisabeth Willgruber-Spitz