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Festivalzentrum
die Presse - 25.09.2006
Hier bleibt nur, wer sich windet
Fritz Kater alias Armin Petras ließ in Graz den Turbokapitalismus ganz böse "Tanzen!".

"Slimy, slimy, slimy", brüllt der böse Superviser-Bernie plötzlich, robbt wie völlig besessen über die Konferenztische, zusammengestellt zum Kampfring. Hier, in dieser vom Publikum umschlossenen Arena ließ Fritz Kater (Text) alias Armin Petras (Regie) Freitagabend beim "Steirischen Herbst" drei turbokapitalistisch geknechtete Biotech-Sklaven unter eisigem Neonlicht brutal "Tanzen!". So der Titel dieser "Industrial Soap Opera", mit der sich der Mühlheimer-Theaterpreis-Träger, bevor er das Berliner Gorki-Theater übernimmt, noch einmal im kleinen Format seine Finger übt, im intimen Saal des Grazer "Theaters im Palais".

Mit Nicolette Krebitz war diese Uraufführung sogar fast schon schillernd besetzt, man kennt die zierliche Schauspielerin und ausgebildete Tänzerin aus dem deutschen Kino, an der Seite u. a. von Katja Riemann in "Bandits" (1997). Krebitz tigert sich in die Sandra hinein, das opportunistische Power-Girlie, das weiß, was sie mit ihrer Jugend und ihrem Sex erreicht. Und wenn nicht, egal! Bis zum nächsten MacJob-Quickie improved sie ihre Skills eben wieder mit Exotic-Dance.

Überlebenskonzepte, von denen Sandras Kollegin, die paranoid-naive Arbeitsbiene Inga, bisher keinen Schimmer hatte. Aber lernen lebenslang weiß sie und hat ihr neues Know-how sofort anzuwenden, beim bösen Ober-Bernie (Peter Moltzen), der die heimlich Angebetete nach sechs Jahren Hackelei entsorgen muss, um die Konzernquote zu erfüllen.

Nur geht das nicht so leicht, Inga ist die Zecke im System, sträubt sich, will den Vertrag, der ihr alle Rechte nimmt, nicht unterschreiben, total hingeben will sie sich auch nicht - also tanzen! Stattdessen. Verliert ihr Kind. Für nichts. In der widerlichen Plastik-Betriebsdusche noch dazu. Und über all dem Schleimen und Schreien und Heulen und Manipulieren und Verrenken hängen Big-Brother-Kameras. Lächerlich blinde, aus Pappe (Bühne: Susanne Schuboth).

Schrill, aber mit Gefühl
Eine kleine bittere New-Economy-Farce hat Armin Petras hier schrill inszeniert und wohl das beste aus dem Text seines Alter Egos gemacht. Denn der ist eben so platt wie er sein muss, um dem Untertitel "Seifenoper" auch gerecht zu werden. Nur hat sowohl das Thema wie auch die Schrillheit im zeitgenössischen Theater bereits Petras' deutscher Kollege Rene Pollesch, ebenfalls Autor-Regisseur, besetzt. Und zwar mit seinen hysterischen Kreisch-Orgien derart charakteristisch und überzeichnet, dass sein Spiel die Wirklichkeit nicht nur abbildet, sondern auch künstlerisch attackiert.

Das fehlt bei Petras, wiewohl sein direkter Zugang sicher berührendere Momente schafft, mehr Empathie erlaubt als Polleschs Wahnsinn. Noch dazu, wenn solche Schauspieler wie Yvon Jansen agieren: Sie gibt der störrischen, ungelenken Tragödin Inga etwas wunderbar Unberechenbares, eine Kraft und ein Flackern, das genau die Spur von Hoffnung lässt, um das trügerische Gefühl zu implantieren, einen gewinnbringenden Theaterabend erlebt zu haben.

sp