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steirischer herbst

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» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006



Festivalzentrum
der Standard - 23.09.2006
Es regnet Wirklichkeit!
Der "steirische herbst" zwischen Musikinstallation und einer Ausstellung, die keine sein will

Die Eröffnung mit der Uraufführung von Nussbaumers "Schwerefeld mit Luftabdrücken" in der Helmut-List-Halle: Der etwas träge Mix aus Musik und Installation krankte an Beliebigkeit durch Vielseitigkeit
Graz - Festivaleröffnug ist - ein bisschen Spannungsaufladung könnte nicht schaden. Komponist Georg Nussbaumer betritt die Bühne im Foyer der Helmut- List-Halle allerdings ein bisschen, als wäre er von den besorgten Behörden dazu genötigt worden.

Er spricht über das Meditative seines Werkes, vor allem aber über die Sicherheitsauflagen, die man beim Begehen seiner Uraufführung Schwerefeld mit Luftabdrücken beachten möge. Sicherheitsmotto "Abstand halten". Das verbale Präludium ist allerdings nicht dazu angetan, Erwartungswallungen zu mobilisieren. Immerhin: Ein bisschen Ironie erlangt Nussbaumers Hinweis im Nachhinein. Schließlich erweist es sich als unmöglich, seiner Abstandbitte Folge zu leisten - so man sich über die Inhalte der zahlreichen Vitrinen informieren wollte, in die 45 Minuten lang von der Decke der Halle herab Kultur- und Naturversatzstücke herabsausen.

So spaziert die Eröffnunggemeinde zum Schreck der Sicherheitsbehörden von Vitrine zu Vitrine, sieht tote Vögel, Bücher, Kartoffeln, einen Ghettoblaster gar, Muscheln, Handtaschen, Tierherzen... Dazu wachen alle paar Minuten Windmaschinen auf, und alle Frisurkunstwerke, die für den Beginn des steirischen herbstes ersonnen wurden, sind der Auflösung nahe.

Allerdings bietet die Haarzerzausung durch den Kunstwind immerhin die Gelegenheit, sich durch den Versuch der Wiederherstellung der Haarpracht die Zeit zu vertreiben. Man kann natürlich auch plaudern, wie es gestern in der Pizzeria war. Oder SMS versenden. Oder einfach wieder rausgehen ins Foyer. Und so kam es auch.

Dann Stille

Durchaus erklärbar. Nach zehn Minuten, in den sich der Klang herab sausender Gegenstände, die Musik der Winde und jener konventionell komponierte Musikpart (bestehend aus einem Ton und ein bisschen Percussion) abgewechselt und gekreuzt hatte, begannen sich diese ersten zehn Minuten leider noch einige Male zu wiederholen, um schließlich der Stille Platz zu machen. Nussbaumers Werk ist inspiriert von Leonardo da Vincis Tuschzeichnung Geräteregen, der hier zu einem "Regen der Wirklichkeit" mutiert. Als Genre verschmelzendes Projekt passt dieser gut zu der Neuausrichtung des zur Sparsamkeit verdonnerten Festivals, das sich an Genregrenzen nicht halten will.

Das bündelt sich allerdings leider an keiner Stelle zu einer einnehmenden Erlebniswelt, die Elemente, die Genres stehen neben einander, werden nie zu jenem Ganzen, das womöglich mehr hätte sein können, als die Summe seiner Teile. Hernach schwärmte Intendantin Kaup-Hasler von ihrem durch das Werk ausgelösten "Schindelgefühl". Ihr gutes Recht. Unsereins plagte eher die Frage, ob die Windkunst bald eine Verkühlung auslösen würde. Doch als die Band "the year of" schließlich zu einer schummrig-poetischen Popfahrt aufbrach, war Partystimmung eingekehrt und ob der Qualität alles wieder gut.

Ljubisa Tosic