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steirischer herbst

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» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006



Festivalzentrum
Salzburger Nachrichten - 20.09.2006
Neugier statt Mieselsucht


Morgen, Donnerstag, wird der "steirische herbst" in Graz eröffnet. Es ist das erste Festival, das unter der Leitung der Intendantin Veronica Kaup-Hasler steht.

Im Grazer Stadtpark liegt ein umgestürzter, schwarzer Wohnwagen, Glitzerlämpchen verpassen dem im Künstlerhaus untergebrachten Festivalzentrum des "steirischen herbstes" einen Hauch Las-Vegas-Style. Das Grazer Festival mit dem Anspruch eines Mehrspartenprogramms buhlt im öffentlichen Raum um Aufmerksamkeit, will wieder stärker als in der Vergangenheit Thema, Erreger sein. "Wir müssen mehr zu den Leuten gehen, die Neugier und die Offenheit für Freiräume der Kunst wecken", erklärt die neue "herbst"- Intendantin Veronica Kaup-Hasler im SN-Gespräch.

Wie ihre Vorgänger hat die 1968 in Dresden geborene Kulturarbeiterin, die zuletzt das Festival "Theaterformen" in Hannover und Braunschweig kuratierte, mit der Last der Geschichte des in die Jahre gekommenen Avantgardefestivals zu kämpfen. Man müsse den respektabverlangenden Fundus der frühen "herbst"-Tage als Inspirationsquelle sehen und versuchen, nicht krampfhaft der eigenen Vergangenheit Konkurrenz zu machen. Die immer wieder durch Skandale und Skandalisierungsversuche geprägte Historie sei ein interessanter Ansatzpunkt für Neues.

Leere Kassen im städischen Haushalt, Katerstimmung nach der "Graz 2003 - Kulturhauptstadt Europas"-Party, Frust unter vielen lokalen Kunstschaffenden. Die Situation komme ihr bekannt vor, betont Kaup-Hasler und spielt darauf an, dass sie "Theaterformen" nach der EXPO 2000 in Hannover übernommen habe. Mit einem spannenden Programm wolle sie gegen "mieselsüchtige Tendenzen" ankämpfen.

Intern habe man organisatorisch und strukturell einen "klaren Schnitt" gemacht, die "herbst"- GmbH neu gegründet und das Präsidium mit Langzeitvorsitzendem Kurt Jungwirth an der Spitze durch einen Aufsichtsrat ersetzt. Inhaltlich wolle Kaup-Hasler keine gravierenden Änderungen. "Die Positionierung als Mehrspartenfestival ist einzigartig in Europa. Wir wollen auch weiterhin kein Mainstream-Einkaufsfestival, sondern eine Plattform für nicht immer ganz leicht zu verstehende Kunst sein."

Vom Vorschlag, den "herbst" als Biennale stattfinden zu lassen, hält sie nichts. Dies könnte politisch missbraucht und der erste Schritt zu einer Demontage der Veranstaltung werden. Kaup- Hasler, die kein Generalthema, sondern mit "Kollaboration, Kontrolle, Teilhabe und offene Quellen" etwas gestelzt klingende Leitmotive konzipiert hat, muss ihre Festivalpremiere "mit reduzierten Mitteln" bestreiten.

Bedingt durch die finanziellen Turbulenzen, die der Betrieb der List-Halle mit sich gebracht hat, wurden der neuen Intendantin im Vergleich zum Vorgänger 300.000 Euro gestrichen. Dies wird sich auch in den kommenden drei Jahren nicht ändern. Überhaupt nimmt sich das Budget in der Höhe von drei Millionen Euro für das bis 15.Oktober dauernde Festival sehr bescheiden aus.


Dass sie "von außen kommt", gefällt der Theaterwissenschafterin. Sie habe sich ihre Beziehungen erst aufbauen müssen, ihr Blick sei von keinen Vorurteilen getrübt gewesen, sagt Kaup-Hasler, die auffallend oft Gast bei Kulturveranstaltungen war und ist. Und zeigt dabei Humor: Bei der Deutschbauer/Spring-Vernissage landete sie kürzlich bei einer Schießbudenfigur mit ihrem Antlitz einen Volltreffer. Und gewann ein Stofftier.
Martin Behr