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steirischer herbst

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» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006
Festivalzentrum
Festivalzentrum

Künstlerhaus Graz
Burgring 2
8010 Graz
Veronica Kaup-Hasler

Vorwort

Immer wieder in seiner Geschichte hat sich der steirische herbst neu erfunden. Als ein Festival, zu dem jeder in Graz (ganz abgesehen von Gästen, Fachleuten, Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt) im Lauf von fast 40 Jahren eine persönliche Beziehung entwickelt hat – und eine eigene Meinung: Wie beim Lieblings-Fußballverein wissen alle besser als der Trainer, wer gerade nicht auf der Bank sitzen sollte, welche Strategie die richtige und welche Philosophie die falsche ist. Eine solche Verwurzelung ist für ein Festival, das immerhin keine populäre Kulturschau, sondern eine internationale Plattform aktueller, avancierter und manchmal nicht ganz einfach zu verstehender Kunst ist, eine zwar zuweilen etwas anstrengende, vor allem aber unvergleichbare und unschätzbare Situation.

Tatsächlich ist der steirische herbst als Festival in mancher Hinsicht besonders: Durch seine Multidisziplinarität, durch seinen klaren Willen zur Zeitgenossenschaft, durch den intensiven Austausch zwischen künstlerischer Arbeit und ästhetischem Diskurs.
Besonders – und in der internationalen kulturpolitischen Situation immer notwendiger – ist auch die eindeutige Positionierung als Festival der Produktion und der Prozesse, des Ermöglichens, des Initiierens. Auch 2006 gibt es zahlreiche Arbeiten (ob im Bereich des Theaters, der bildenden Kunst, der Musik oder der Literatur), die ohne den steirischen herbst nicht möglich wären und die anschließend weiter in Europa und darüber hinaus zu sehen sein werden. Dabei ist die Einbeziehung und Vernetzung sowohl internationaler wie regionaler Künstler, Institutionen und Kontexte wesentlich – schließlich ist der steirische herbst aus einer Initiative lokaler Szenen heraus entstanden.



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Kontrolle, Kollaboration, Teilhabe und offene Quellen

Der steirische herbst hat 2006 kein Thema, dem sich alle künstlerischen und theoretischen Aspekte unterzuordnen haben. Stattdessen gibt es Leitmotive, rote Fäden, denen wir folgen und die sich hier und da verknoten: Die politischen, sozialen, aber auch ästhetischen Diskussionen unserer Zeit drehen sich immer wieder um Techniken der Fremd- und Selbstkontrolle, wie sie unser Leben und unsere Kunst in allen Bereichen prägen. Dem gegenüber stehen zuweilen utopische, zuweilen pragmatische Modelle der Kollaboration, der Teilhabe und der offenen Quellen.

Fragen nach Kontrolle, Kollaboration und Open Source finden sich künstlerisch reflektiert vielfach im Festival wieder. Als Aspekte trauriger Sicherheit, als Spiel mit dem Schutz, den Namen bieten (weshalb sich das Kunsthaus Graz vorübergehend hinter dem Anagramm Gutshaus Kranz versteckt), als Suche nach schuldigen Orten ... ein Großteil der diesjährigen herbst-Ausstellungen geht sehr unterschiedlich, teils assoziativ, teils konkret auf diese Fragestellungen ein. Und auch Theaterarbeiten, beispielsweise von Fritz Kater oder Richard Maxwell, greifen Kontroll-Motive auf, während das Projekt „open_gates“ Herstellungsprinzipien von Open-Source-Software auf die ästhetische Produktion überträgt und so zahlreiche Grazer Künstlerinnen und Künstler einbindet.
Die „Spielfeldforschung“ – das theoretische Rückgrat des Festivals – widmet sich parallel vertiefenden Untersuchungen: nicht als akademische Wissenschaft, die sich der Kunst als Objekt nähert, sondern als flanierende Möglichkeit, sich selbst der Kunst auszusetzen.
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Ein Konzert ist eine Installation ist eine Performance

Lange bevor die Vernetzung der Künste und die Forderung nach Interdisziplinarität in aller Munde war, integrierte der steirische herbst Kunst, Musik, Performance, Tanz, Theater, Literatur, Architektur, Film, Neue Medien und Theorie – im Lauf der Jahre mit unterschiedlichen Schwerpunkten, immer aber selbstbewusst aus den jeweiligen Bedingungen des Genres heraus.
Diesem Aspekt trägt der steirische herbst heuer besonders Rechnung: Konzerte, die Installationen sind, Ausstellungen, die Performances sind, literarische Arbeiten, die aufführende Praxis sind ... am deutlichsten werden solche dramaturgischen Überlegungen vielleicht beim „Concert for Greenland“ des norwegischen Verdensteatret, das wir als Theaterarbeit, als Installation und als Konzert präsentieren.
Und auch die Künstlerinnen und Künstler, die Teil der „Camp-Show-Steiermark“ sind, kommen aus unterschiedlichen Kunstrichtungen: Dreieinhalb Wochen lang fahren fünf bespielte, bebaute, belebte Wohnwagen durch Stadt und Land – und kommen einzeln oder zu mehreren Abend für Abend zurück zum weit durch den Stadtpark leuchtenden Festivalzentrum. Wer so weit umherschweift wie der steirische herbst, der braucht einen Mittelpunkt – für Künstler, Gäste, Freunde, zum Reden, Diskutieren, Feiern ... und was sich sonst noch ergeben mag.