wukonig.com



steirischer herbst

» Fr 13/10 & Sa 14/10 – Wörterbuch des Krieges

» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006



Festivalzentrum
Salzburger Nachrichten - 09.10.2006
Konzerte


Normale Konzerte gab es beim "musikprotokoll" in Graz am vorigen Wochenende auch, aber allein drei installativperformative Großprojekte widmeten sich einer Veränderung der Wahrnehmung von Musik, herbeigeführt durch ein Aufbrechen der konzertanten Hörsituation: Schon zu Beginn des "steirischen herbsts" vor zwei Wochen hatte Georg Nussbaumer in seinem "Schwerefeld mit Luftabdrücken" Objekte von der Decke der Helmut-List-Halle regnen lassen, und das norwegische Verdensteatret brachte im Dom im Berg eine archaische Multimediareise ins arktische Grönland.

Den Auftakt
des "musikprotokolls" bildete, wieder in der Helmut-List-Halle, das neue Werk "fichten" vom Grazer Komponisten Klaus Lang, bei dem das Publikum von Orchesterklängen umspült auf einer großen, weißen Matte weidet. Es kann dabei nach Belieben die Augen schließen oder sie entlang der bis in den schwarzen Horizont der Decke himmelwärts verstrebten Stahlseile auf- und abwandern lassen oder die Musiker hinter einem transparenten Vorhang beobachten (siehe SN vom 7. Oktober, Seite 14).

Virtuose Musik
für Stimmen und Viola von Georg Friedrich Haas - exzeptionell ausgeführt von den Neuen Vocalsolisten Stuttgart und dem Bratschisten Garth Knox - bescherte ein "normales Konzert", allerdings eines, bei dem einem die Ohren übergehen wollten. Liebesgedichten von August Stramm, einem Vorläufer konkreter Poesie, wie Arnold Schönberg 1874 geboren, verlieh Haas expressive musikalische Strukturen. In "... für Viola und sechs Stimmen", ebenfalls 2005 entstanden, verfeinerte er seine Verfahren obertonbezogenen und mikrotonalen Komponierens erneut: Madrigal- bzw. Motettenkunst des 21. Jahrhunderts, deren Schönheit an Palestrina und Gesualdo gemahnt, bei der das Schöne zum Schrecklichen werden kann. Bestechend vorgetragen war auch das "Solo für Viola d´amore", das aus den 14 Saiten des edlen Instruments verblüffende Wendungen und Glissandowirkungen zaubert. Und als Kontrast Salvator Sciarrinos "Lalibi della parola".

Jorge Sánchez-Chiong,
dem aus Venezuela stammenden, zwischen Komposition und Turntables changierenden Komponisten, war am Samstagabend in der Aula der Alten Universität eine Personale gewidmet, die er mit mitverschworenen Musikern aus der Wiener Elektronikszene am Sonntag fortsetzte. Zuvor bot das RSO Wien zwei interessante Uraufführungen der Grazer Komponistinnen Erin Gee ("Mouthpiece IX") und Joanna Wozny ("loses").

Heinz Rögl