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steirischer herbst

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» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006



Festivalzentrum
APA - 22.09.2006
"steirischer herbst": "SLUM" - Entwicklung jenseits der Dritten Welt
Ausstellung im Rahmen des steirischen herbst von 24.9 bis 15.10 - Hundert Müllmenschen von HA Schult

"Die 'Trash People' sind unsere Ebenbilder. Wir alle produzieren Müll, wir alle werden zu Müll." Der deutsche Aktionskünstler HA Schult hat wohl eines der imposantesten Projekte des laufenden steirischen herbst im Hof der Neuen Galerie in Graz in Szene gesetzt. Hundert lebensgroße, aus Müll gepresste Figuren stehen da in Reih und Glied, um uns nicht nur die Situation der Slum-Bewohner in Schwellenländern vor Augen zu führen, sondern auch auf die wachsende Verslumung in Europa aufmerksam zu machen.

Morgen, Samstag, eröffnet die Ausstellung "Slum", die bereits vor dem offiziellen Auftakt von rund tausend Schaulustigen besucht wurde. Wie ein Mahnmal stehen die Figuren im frei zugänglichen Hof, die angrenzenden Räume im Erdgeschoss der Neuen Galerie versammeln weitere Positionen zum Thema, die Kurator Peter Weibel mit "bescheidenen finanziellen Mitteln", wie er während der heutigen Pressekonferenz mehrmals betonte, zusammengetragen hat.

"Ganz getreu dem Gedanken des neuen steirischen herbst, eindeutige Kunstformen zu vermeiden, finden Sie auch hier eine Mischung zwischen Ausstellung und Installation vor", so Weibel. Durch gezielte Aktionen der Künstler in der Innenstadt wird dieses Ziel noch verstärkt: "Wer diese Aktionen als Kunst identifizieren wird, ob Presse oder Polizei, wird sich weisen." Das umfangreiche Rahmenprogramm bietet Vorträge und Präsentationen von Guy Tillim, der mit Fotos aus Johannesburg vertreten ist, auch Armin Linke, das Künstlerkollektiv El Perro Santiago Diaz oder der Ökonom Branko Milanovic werden nach Graz kommen.

Der slowenische Philosoph Slavoj Zizek berichtet über "The living dead of global capitalism", Zygmunt Baumann hält einen Vortrag mit dem Titel "Collateral casualties of consumerism". Im Mittelpunkt der Ausstellung steht laut Weibel "weniger die architektonische Aufgabe der Hochgeschwindigkeitsbauten als vielmehr das Verhalten der Menschen". HA Schult, der tausend Figuren an eindrucksvollen Orten wie dem Roten Platz in Moskau, der chinesischen Mauer oder am Matterhorn präsentiert hat, verwies auf die "soziale Reibung", die seine Kunstwerke hervorrufen sollen: "Ich stelle sie ja schließlich nicht aus, weil sie so schön sind."

Fast dreieinhalb Milliarden der sieben Milliarden Menschen dieser Erde leben in Städten. Die Metropolen Indiens, Brasiliens und Chinas beherbergen etwa gleich viele Menschen wie das gesamte Gebiet von Europa und Nordamerika zusammen. Da solche Städte jedoch keine Jobmaschinen sind, die für Arbeitsplätze und soziale Sicherheit sorgen, lebt etwa ein Achtel der Menschen in Slums.

Wie diese Entwicklung in Europa aussieht, zeigt die Fotoserie "Charity" von El Perro Santiago Diaz: Täglich zwischen 7.30 und 8.30 Uhr kommen Menschen am Stadtrand von Madrid zu den Supermärkten, die abgelaufene Waren an die sozial Schwachen verteilen. Dokumentiert wird eine seltsame Mischung aus Recycling und Wohltätigkeit. Die Supermärkte können mit Hilfe dieser Aktionen ihren Qualitätsstandard halten.

steirischer herbst-Intendantin Veronica Kaup-Hasler verwies auf die "Unsicherheitszone", sobald sich der Staat sukzessive aus dem Leben der Menschen zurückziehe. "Es ist eine erschreckende Vision, die Einzug in Europa hält."

Karin Zehetleitner