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steirischer herbst

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» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006



Festivalzentrum
Kleine Zeitung - 21.09.2006
Alles unter Kontrolle?
Interview

In wenigen Stunden beginnt der heurige "steirische herbst". Eines der Leitmotive gilt der Kontrolle und Selbstkontrolle. Versuch eines kontrolliert unkontrollierten Gesprächs mit der neuen Intendantin Veronica Kaup-Hasler.

Frau Kaup-Hasler, der Countdown für die "herbst"-Eröffnung läuft, Kontrolle ist ein zentrales Thema. Haben Sie derzeit selbst alles unter Kontrolle?


VERONICA KAUP-HASLER: Ich denke schon, dass wir ausgezeichnet für den "herbst" gearbeitet haben, aber bei dieser Fülle von Programmen gibt es natürlich immer auch den Raum für Überraschungen. Für mich ebenso wie für das Publikum.

Wo und in welchen Produktionen macht sich das Thema Kontrolle am Eröffnungswochenende besonders bemerkbar.

KAUP-HAUSLER: Vor allem in den Ausstellungen, aber auch im Projekt "Tanzen" von Armin Petras, einer Industrial Soap Opera, die am Freitag uraufgeführt wird. Hier geht es um Kontrolle durch Mobbing in einer Biotechfirma, die Petras sehr unterhaltsam theatral unter die Lupe genommen hat.

"Macht braucht Kontrolle" lautete ein gängiger, sehr zynischer und doppeldeutiger Slogan. Denn jetzt stehen wir vor der Tatsache, dass die Machthaber immer mehr Kontrolle einfordern, angeblich zu unser aller Schutz.

KAUP-HASLER: Das ist ein wichtiges Thema unserer Zeit, da es ja auch in vielen Bereichen ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis gibt. Zum anderen zieht sich die Politik immer mehr aus angestammten Verantwortungsbereichen zurück und verkauft die daraus entstehenden Unsicherheiten als Zugewinn von Freiheit.

Wie kann darauf sinnvoll und effizient reagiert werden?

KAUP-HASLER: In der Kunst und in vielen Bereichen der Wissenschaft werden diese Veränderung sehr bewusst wahr genommen. Sie bedeutet ja vor allem, dass wir zunehmend von anderen Mechanismen kontrolliert werden.

Könnten Sie einige konkrete Beispiele nennen?

KAUP-HASLER: Die Angst vor der Zukunft, das Wissen darum, dass wir uns selbst um unsere Alters- und Krankenversicherung kümmern müssen, um nicht später unversorgt da zu stehen.

Das klingt recht fatalistisch und hoffnungslos.

KAUP-HASLER: Nein. Die Kunst kann ein anderes Denken vom Menschen vermitteln, indem sie andere Gesellschaftsmodelle entwickelt, die sich abheben von der Vorstellung, dass Menschen vollkommen nach den Modellen der Ökonomie modellierbar sind.

Zu einem anderen Aspekt der Kontrolle: Auch die Kunst steht unter zunehmendem Quotendruck. Verspüren Sie den auch?

KAUP-HASLER: Natürlich ist das im Hintergrund wahrnehmbar, Gott sei Dank ist der "herbst" als Festival des lustvollen Experimentierens davon nicht so sehr betroffen wie andere Institutionen. Ich bin bei der derzeitigen steirischen Kulturpolitik optimistisch, dass dass auch so bleibt.

Der "steirische herbst" wurde, nach zahlreichen Problemen und Finanzmiseren, umstrukturiert. Gibt es jemanden, der Sie bzw. Ihre Programmatik kontrolliert?

KAUP-HASLER: Na klar. Ich habe ja einen Aufsichtsrat. Und natürlich gibt es auch das Publikum und die Medien, die eine Rolle spielen. Inhaltlich sind wir in unserem Tun völlig frei.

Welche Veranstaltung würden Sie eigentlich "herbst"-Gegnern, die ja gerne nach Kunst- Kontrolle rufen, besonders empfehlen?

KAUP-HASLER (lacht): Gegner? Ich habe doch keine, oder? Sollte es sie doch geben, empfehle ich ihnen wie allen anderen, einfach in den "herbst" hineinzusteigen. Mit der Lust auf Kontrollverlust. Denn dazu laden wir ja ein.

Werner Krause