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steirischer herbst

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» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006



Festivalzentrum
die Presse - 23.09.2006
NY, London, Graz, dann endlich Gent
Gegengift

Früher war alles besser - diese Sentimentalität wird heute ausnahmsweise unterlassen. Wenn der "steirische herbst" beginnt, weiß selbst ein Fürstenfelder wie ich intuitiv, dass spätestens im revolutionären Oktober nur eines zählt: Avantgarde. Wenigstens dreieinhalb Wochen sollte man angestrengt vorwärtsblicken, das gebietet der Respekt vor dem fortschrittlichen Erzherzog Johann.

Ein kleiner Rückblick sei aber erlaubt. Früher, vor zwanzig, dreißig Jahren war der "herbst" auch nicht schlecht. Man musste nicht einmal zu den "musikprotokollen" oder zu den Stücken vom Bauer Wolfi ins Schauspielhaus spazieren, um die erfrischende Herbststimmung zu erleben. Es genügte ein Gang durch den Stadtpark oder ein Kaffeehausbesuch. Die Stadt war durchtränkt von Kultur, erfüllt von torkelnden Dichtern, schwarz gekleideten Dramaturgen und wirren Architekten mit bunten Brillen. Graz war, so kann man ungeschützt behaupten, für eine kurze Weile eine einzige Kommune der Modernität.

Heute aber ist es noch viel besser. (Nicht nur, weil ab dieser Saison alerte Frauen die steirische Kulturszene dominieren.) Heute ist es viel besser, weil man nicht einmal mehr durch den Stadtpark gehen muss, um das vertraute "herbst"-Gefühl zu bekommen. Ich blicke auf den herzerwärmenden Wiener Altweibersommer, möchte eigentlich an das Mozart-Jahr denken, da kommt der "herbst" per Internet zu mir.

Ein Klick auf "randnotizen.steirischerherbst.at", da lese ich, wie sich die Autorinnen Rosa Pock, und Milena Markovic, der Zeichner Constantin Luser und der Performer Tim Etchells seit April Herbst-Gedanken machen. Die führen gemeinsam Tagebuch! Das ist Progressivität. Was erfahre ich also von Tim Etchells? Er sei nach einigen Tagen in New York, nach London geflogen. Jetlag. Und jetzt komme eine Woche Graz. Dann Newcastle, dann endlich Gent.

Warum er sich auf Gent freut, erfährt man nicht. Warum ich mich jedes Jahr auf Graz freue, sage ich auch nicht. Das ist eine andere Geschichte.

Norbert Mayer