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steirischer herbst

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» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006



Festivalzentrum
Kronen Zeitung - 24.09.2006
Harter Machtkampf im Retro-Chic
"steirischer herbst": Uraufführung von Fritz Katers "Tanzen!" im Theater im Palais

Herbe Gesellschaftskritik im grotesken Mäntelchen präsentiert Autor Fritz Kater mit "Tanzen! ", der ersten Theaterpremiere im "steirischen herbst" 2006. Regisseur Armin Petras (übrigens "biologisch ident" mit Kater) frönt dem 80er-Jahre-Bühnenexzess, bietet mit dem starken Ensemble - Nicolette Krebitz, Yvon Jansen und Peter Moltzen - aber auch intensive zwischenmenschliche Momente. Keine Sensation, doch ein interessanter Theaterabend.

Als "Industrial Soap Opera" bezeichnet Kater sein Stück, das im Grazer Theater im Palais als Koproduktion mit dem Berliner Maxim Gorki Theater uraufgeführt wurde. Und tatsächlich geht es um Hierarchien und gar nicht versteckte Machtspiele in einem knallharten New Economy- Biotech-Betrieb, der seinen jungen, dynamischen Mitarbeitern alles abverlangt und sie dann schnell entlässt, bevor das große Burnout kommt.

Drei Personen liefern sich den ständig mit Papp-Kameras überwachten Schlagabtausch: Bernie, der Supervisor, erklärter Buster-Keaton-Fan, und selbst ein Gefangener des Systems, das er vermeintlich so toll im Griff hat; Inga, ein "Hascherl", das zur Kündigung ansteht, sich aber mit dem Mut der Verzweiflung zur Wehr und dabei ihre Selbstachtung aufs Spiel setzt, sowie die coole, fesche, fitte Sandra, die den Weg nach oben "über die Horizontale" gut zu kennen scheint. Peter Moltzen, Yvon Jansen und Nicolette Krebitz verkörpern diese drei mit eindrucksvoller Präsenz und einer breiten Palette an Unter- und Zwischentönen.

Auf diese legt auch Regisseur Armin Petras großen Wert, wenn er nicht gerade damit beschäftigt ist, im angesagten 80er-Revival mit Lebensmittel und Blut über die Bühne zu sauen, laute Musik- und Tanzeinlagen einzustreuen, oder eine (mit durchaus witzigen Kommentaren versehene) Globalisierungs-Diashow einzubauen. Das ist eher verzichtbarer Retro-Chic. Was er allerdings sich zwischen den drei Protagonisten abspielen lässt, das ist schon ziemlich spannend. Da dringen verborgene Sehnsüchte an die Oberfläche, werden Ängste richtiggehend greifbar und erhält Verzweiflung eine bedrückende Dichte. Am Ende gibt es zwar keine Gewinner, aber doch freundlichen Applaus vom Publikum.

Michaela Reichart