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steirischer herbst

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» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006



Festivalzentrum
Kleine Zeitung - 24.09.2006
Künstler helfen Künstlern


Im feinen Klima des von Philippe Rahm negativ (also positiv) ionisierten Gutshauses Kranz kann Kunst genossen werden, die Tugenden wie Solidarität verpflichtet ist.

So kann das Leben sein: Man wird älter und versteht plötzlich die Jüngeren besser. Reifere Semester werden sich beim "steirischen herbst '06", der deutlich jüngeres Publikum anvisiert, jedenfalls (gerne) an ihre Jugend erinnern (lassen). Ähnlich wie in den Emanationen aktueller Popmusik, knüpfen bildende Künstler an Trends der 1960er- und 1970er-Jahre an. Soll nichts Schlimmers passieren. Die "herbst"-Schau "Protections", die schon im Untertitel "Das ist keine Ausstellung" den "hinterfragenden" Geist jener Zeit verströmt, zeigt, dass auch Rückgriffe erfrischend sein können.

"Sicherheitsstreben", laut den Kuratoren Christine Peters und Adam Budak Projekt-Mittelpunkt, ist allerdings nicht das Erste, das einem in den Kopf kommt. Und auch wahnsinnig "subversiv" sind die Fertigteilhäuser nicht, mit denen das Duo Elmgreen & Dragset aus dem Kunsthaus Graz das "Gutshaus Kranz" macht. Was darin beschützt wird? Einerseits gesellschaftskritische Statements zum Umgang mit Kultur und Sprachen von Minderheiten (Elisabeth Penker) und das Grazer freie Radio Helsinki. Andererseits "Nichts Gutes". "Nothing Good House" nennen Tim Etchells und Vlatka Horvat ihren Bungalow, in dem sie eigene Arbeiten und solche von Freunden zeigen (und damit die Tugend der Solidarität pflegen, die "Protections" wie ein roter Faden durchzieht).

"Nichts Gutes" - das sind vor allem Videos, die unter anderem zeigen, was vielleicht viele vom Fall Natascha K. erhofften. Dinge, die Schlagzeilen mit den verkaufsträchtigen Wörtern "Horrorhaus", "Monster", "Peiniger" etc. rechtfertigen würden. Und in den eigenen vier Wänden mit wohligem Grusel genießbar sind.

Solidarität, Kooperation. Marysia Lewandowska und Neil Cummings lassen also Radio Helsinki aus "ihrem" Häuschen senden. Apolonija ŸSustersic führt einmal in der Woche einen Bus von Graz nach Ljubljana, zum vorerst nur für den Zeitraum der Ausstellung existierenden Slowenischen Museum für Gegenwartskunst. Frédéric Moser und Philippe Schwinger lassen Studierende der Grazer Kunstuni Szenen aus Jaroslav Haseks "Schwejk" interpretieren.

Der genannte Tim Etchells motivierte die Kunsthaus-Wachmannschaft, sich zum Chor zu formieren, der nun Songs der Beatles, von Joni Mitchell und den Einstürzenden Neubauten sowie die DDR-Hymne vortragen kann.

Womit angedeutet ist, was die Ausstellung zur Nicht-Ausstellung macht: permanente Prozesse, derer noch zahlreiche im Laufen sind. Folgerichtig bietet man um neun Euro eine Monatskarte für das fidele Gutshaus an. Wir meinen: keine hinausgeworfene Investition. Warnung: Am 13. Oktober (Freitag!) wird der Schweizer Architekt Philippe Rahm die Ionen im Haus "hochdicht positiv" aufladen. Ganz schlecht.

Walter Titz