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steirischer herbst

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» 21/09 - 15/10/2006 – steirischer herbst 2006



Festivalzentrum
Salzburger Nachrichten - 07.10.2006
Ohren-Wellness
steirischer herbst: "fichten" von Klaus Lang

"Liegend ein Orchester hören; ein Orchester, das live spielt, doch unsichtbar bleibt": Von diesem Plan ausgehend, lud der 35-jährige Grazer Komponist Klaus Lang Donnerstagabend zur Klanginstallation "fichten" in die Grazer Helmut-List-Halle. 100 Besucher machten es sich auf einem riesigen, weichen und futonähnlichen Faulbett bequem, hörten Klänge, die von rund 100 Musikern des Orchesters "recreation" produziert wurden und sahen verhalten an- und abschwellende Blau-Grün-Lichteffekte von Andreas Fuchs: ein Abend mit sinnlichem und luxuriösem  Wellness-Charakter.

Die Konzerthalle als akustischer Samadhi-Tank: Musik in Einschlaf- beziehungsweise Wohlfühlhaltung zu genießen ist ein Privileg. Die Entspannung wird gefördert, die Konzentration auf das Gehörte enorm gesteigert. Dem Klang zu Füßen liegen: Klaus Langs 70 Minuten dauernde Komposition für das große Orchester entzieht sich einer oberflächlichen Wohlklang- Berieselung. Sobald die Irritationen ob der ungewohnten Konzertatmosphäre verflogen und Blickkontakte mit den Liegenachbarn zur Routine geworden sind, nimmt das Stück gefangen. Anklänge an Musik aus dem Genre Kriminal- und Horrorfilm wechseln ab mit feingliedrigen, sphärischen Harmonien, dann folgen Laute, die Tierstimmen ironisieren. "fichten" spielt mit dem Kontrast aus Größe und Intimität, setzt in den Köpfen der Zuhörerschaft unterschiedliche Bilder frei - jene von einem abziehenden Gewitter etwa, von Naturlandschaften, von endlosen Weiten oder Bedrohungen im Alltag.

Langs nie verstörender Klangteppich, der auf den Verknüpfungsmustern eines György Ligeti aufbaut, ist für die Rezeption auf dem vornehmen Matratzenlager konzipiert; Metalldrähte, die von der Liegeinsel in Richtung Decke führen, könnten als Baumstämme (Raumgestaltung: Claudia Doderer) gedeutet werden. Inmitten des stilisierten Waldes lümmelt, kauert, sitzt oder schläft (ein Schnarchen gesellte sich zum Orchesterstück) das Publikum, lauscht mit Andacht oder vollführt - wie in der Selbsterfahrungsgruppe - kreisende Rumpfbewegungen.

Die Auftragsarbeit vom "steirischen herbst" und "musikprotokoll" avancierte zu einer eindrucksvollen, vielleicht um rund zehn Minuten zu lang geratenen Schule des Hörens: ein Highlight in der noch jungen Ära von "herbst"-Intendantin Veronica Kaup-Hasler.
MARTIN BEHR